Stellungnahme zur Änderung des Zivilgesetzbuches Erwachsenenschutz
05.06.2023
Pro Mente Sana lehnt Meldepflicht klar ab
Pro Mente Sana schlägt dem Bundesamt für Justiz vor, die Revision des Zivilgesetzbuches (Erwachsenenschutz) nochmals zu überarbeiten. Insbesondere lehnen wir die Einführung einer Pflicht für Berater*innen, hilfsbedürftige Menschen der KESB melden zu müssen, ab. Des Weiteren sollte das Zivilgesetzbuch die Kantone verpflichten, nicht nur wie vorgesehen Massnahmen des Kinder- und Erwachsenenschutzes, sondern auch folgende Zwangsmassnahmen innerhalb von Spitälern, Wohn- und Pflegeeinrichtungen statistisch zu erfassen: Behandlungen ohne Zustimmung, Isolationen und Fixierungen.
Pro Mente Sana wurde von Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider eingeladen, zum Vorentwurf zur Änderung im Erwachsenenschutzrecht Stellung zu nehmen. Wir empfehlen dem Bundesamt für Justiz, den Vorentwurf umfassend zu überarbeiten und dabei die fundamentale Kritik des UNO-Ausschusses für die Rechte von Menschen mit Behinderungen (BRK-Ausschuss) vom März 2022 am schweizerischen Kindes- und Erwachsenenschutzrechts zu berücksichtigen.
Meldepflicht würde Vertrauensbasis zerstören
Insbesondere die neue Bestimmung in Artikel 443a zur Meldepflicht für Berater*innen ausserhalb der strafrechtlich geschützten Berufsgeheimnisse lehnen wir ab, da sie für unsere Beratungstätigkeit verheerend wäre: Die vorgesehene neue Bestimmung würde bedeuten, dass unsere Berater*innen der KESB melden müssten, falls sie eine hilfsbedürftige Person beraten und die Hilfsbedürftigkeit nicht beheben können. Wir sind überzeugt, dass hilfsbedürftigen, urteilsunfähigen Menschen geholfen werden sollte. Die KESB ist auch aus unserer Sicht jene Behörde, welche fachlich und personell grundsätzlich kompetent ist, die Hilfsbedürftigkeit sowie die Anordnung von Massnahmen zu prüfen. Allerdings würde eine Meldepflicht die Vertrauensbasis zerstören, auf welcher wir Menschen in Krisensituationen beraten. Ohne Vertrauen ist eine Beratung nicht möglich. Die Hilfesuchenden verlassen sich darauf, dass die uns preisgegebenen Informationen weder direkt noch indirekt an Behörden gehen. Für Menschen in einer Gesundheits- und oft auch Lebenskrise ist es häufig ohnehin schon schwierig, Hilfe zu suchen. Aus diesem Grund bieten wir eine vertrauliche und niederschwellige Dienstleistung an. Nur so können wir jene Menschen erreichen, welche aus psychischen, wirtschaftlichen oder anderen Gründen nicht in der Lage sind, aktiv Hilfe durch andere Stellen wie Behörden (z. B. der KESB) oder kommerzielle Anbieter*innen (z. B. freie Psycholog*innen oder Anwältinnen und Anwälte) zu suchen.
Zwangsmassnahmen transparent machen
Im Artikel 441a des Zivilgesetzbuches soll gemäss dem Vorentwurf neu festgehalten werden, dass die Kantone für die Bereitstellung der statistischen Grundlagen und Kennzahlen zu den Massnahmen des Kindes- und Erwachsenenschutzrechts sorgen sollen. Wir begrüssen diese Pflicht, aber zusätzlich müssten auch alle Behandlungen ohne Zustimmung (Art. 434 ZGB), Isolationen und Fixierungen in Spitälern sowie Wohn- und Pflegeeinrichtungen erfasst werden. In der Schweiz sollte Klarheit darüber herrschen, wie oft diese besonders einschneidenden Zwangsmassnahmen angewendet werden. Sie sind schwerwiegende Eingriffe in die persönliche Freiheit und das Selbstbestimmungsrecht der Betroffenen und oft sogar traumatisierend. Überdies sind sie auch für das Personal belastend.
Die ausführliche Stellungnahme im Wortlaut finden Sie hier.