Stellungnahme zum Gesetz über den Solidaritätsbeitrag für Betroffene von Medikamententests
14.11.2023
Kanton Thurgau nimmt seine Verantwortung wahr
Mit der gesetzlichen Verankerung eines Solidaritätsbeitrages für Betroffene von Medikamententests zieht der Kanton Thurgau eine Konsequenz aus der bereits erfolgten historischen Untersuchung. Er hat damit eine Vorbildfunktion für andere Kantone. Der Gesetzesentwurf ist eine gute Grundlage, bedarf aber noch einiger Verbesserungen.
Im Zeitraum von 1940 bis 1980 kam es in verschiedenen psychiatrischen Kliniken und anderen Institutionen des Kantons, insbesondere in Münsterlingen, zu Medikamententests an Patientinnen und Patienten, ohne dass diese zuvor aufgeklärt wurden und zugestimmt haben. Solche Tests gab es auch in andern Kantonen. Der Kanton Thurgau war jener Kanton, welcher nach langem Wegschauen als erster reagiert hat: So hat er 1987 das kantonale Gesundheitsgesetz von 1985 um eine Verordnung über die Rechtsstellung der Patient*innen in den kantonalen Einrichtungen des Gesundheitswesens ergänzt. Darüber hinaus rief er als erster Schweizer Kanton eine «medizinisch-ethische Kommission» ins Leben.
Im April dieses Jahres wurde im thurgauischen Kantonsrat die Motion «Es bleibt keine Zeit – Finanzielle Wiedergutmachung für betroffene Menschen von Medikamententests in der psychiatrischen Klinik» vom 23. November 2022 angenommen. Es ist erfreulich, dass der Gesetzesentwurf bereits vorliegt. Ein ähnlicher Vorstoss auf nationaler Ebene wurde im März 2023 abgeschrieben, nachdem er vom Bundesrat zur Ablehnung empfohlen und von den Räten innert zwei Jahren nicht behandelt worden war. Umso wichtiger sind nun Gesetze wie das vorliegende auf kantonaler Ebene. Der Kanton Thurgau hat diesbezüglich Vorbildfunktion für andere Kantone. Diese stehen nämlich nun, da sich der Bund als nicht zuständig erachtet, umso mehr in der Verantwortung.
Der Kanton Thurgau macht mit dem vorliegenden Entwurf für ein Gesetz über den Solidaritätsbeitrag für Betroffene von Medikamententests (GSBM) einen wichtigen Schritt. Er inspiriert damit hoffentlich auch weitere Kantone. Wir beantragen einige Änderungen, damit möglichst allen noch lebenden interessierten Betroffenen der Beitrag ausgerichtet und damit eine Geste der Anerkennung gezeigt werden kann. Als nötig erachten wir insbesondere Beweiserleichterungen, eine unabhängige Beratung der Betroffenen sowie eine stärkere Inpflichtnahme der Pharmabranche.
Zur Stellungnahme (PDF, 7 Seiten)