Interview mit YB-CEO Wanja Greuel
24.03.2021
«Nur wer zufrieden im Kopf ist, kann Topleistungen auf dem Platz abrufen»
Pro Mente Sana lancierte vor zwei Jahren eine dreijährige CSR-Partnerschaft (Corporate Social Responsibility) mit dem BSC Young Boys. Der amtierende und wohl auch künftige Schweizer Meister engagiert sich für die Enttabuisierung von psychischen Erkrankungen. Der YB-CEO Wanja Greuel im Interview mit 20 Minuten.
Wanja Greuel, YB engagiert sich neu für psychische Gesundheit. Wie kommts?
Die Stiftung Pro Mente Sana hat mich angefragt, ob eine Partnerschaft möglich wäre. Wir wissen natürlich, dass wir als YB eine grosse Strahlkraft haben und wollen diese Energie einsetzen für ein wichtiges Thema.
Jahrelang waren psychische Erkrankungen im Fussball ein Tabuthema.
Der Kosmos Fussballmannschaft ist ein spezielles Gebilde, wo es um Leistung geht und viele junge Männer unter sich sind. Das ist nicht zwingend der beste Nährboden für absolute Offenheit, wenn es um das Thema mentale Gesundheit geht.
Ist das aktuell immer noch so?
Ich glaube, dass unsere Gesellschaft deutlich sensibilisierter ist und die Türen für Spieler, die sich gerne öffnen möchten, auch mittlerweile deutlich offener sind, als sie das in der Vergangenheit waren. Es gibt ja mittlerweile auch Fussballlegenden wie Andrés Iniesta oder Gianluigi Buffon, die offen über psychische Erkrankungen während der Karriere gesprochen haben.
Die mentale Gesundheit ist ja auch wichtig für die Leistung auf dem Platz.
Das ist ein extrem wichtiger Punkt und da sehe ich die Verantwortung nicht nur bei den Spielern, sondern auch beim gesamten Club. Hier leistet unsere sportliche Abteilung um Gerardo Seoane oder Manager Christoph Spycher hervorragende Arbeit. Sie müssen darauf sensibilisiert sein, wenn es einem Spieler nicht gut geht und da sein für ihn, mit ihm offen reden. Nur wenn die Spieler zufrieden sind im Kopf, können sie auf dem Platz eine Topleistung abrufen.
Welche Angebote bietet YB seinen Spielern bereits?
Wir haben eine Expertin im Club, die sowohl für den Nachwuchs, wie auch für die 1. Mannschaft als Mentaltrainerin da ist. Wir behandeln das Thema mentale Gesundheit oder Werte wie Menschlichkeit sowie Teamzusammengehörigkeit schon früh und sehr intensiv in unseren Jugendkadern.
Suchen Spieler im eigenen Club überhaupt nach Hilfe? Muss ein Spieler nicht Angst haben, dass er dann nicht aufgestellt wird, weil am Schluss die Leistung auf dem Platz zählt?
Spieler wollen natürlich in erster Linie für den Erfolg des Clubs und den eigenen Erfolg da sein. Bei einem Finalspiel überlegt sich ein Spieler wohl auch zweimal, ob er dem Trainer sagen will, dass er ein leichtes Zwicken in der Beinmuskulatur spürt. Das ist ein Zielkonflikt, den vielleicht einige Spieler in sich tragen.
Und was tun Sie dagegen?
Wir wollen das natürlich entschärfen. Wir pflegen eine klare und offene Kultur bei YB. Die ist familiär und persönlich, aber trotzdem sehr leistungsorientiert. Ich finde nicht, dass sich das widerspricht.
In den letzten Wochen gab es gleich mehrere Beispiele, bei denen Fussballer öffentlich gemacht haben, wie sie auf Social Media massiv angefeindet und beleidigt werden. Ist das bei YB ein Thema?
Wir schulen die Spieler natürlich, wie sie generell mit den Medien umgehen sollen. Aber das ist schon ein eher neues Thema, das es vor 10-20 Jahren in dieser Form nicht gab. Jeder Fan hat einen direkten Kommunikationskanal zu den Spielern und da gibt es sicher auch Akteure, die einige oder gar einen Grossteil der Nachrichten lesen, die sie bekommen.
Und wie gehen Ihre Spieler damit um?
Wir tun alles dafür, den Spielern zur Seite zu stehen, ihnen die Türe zu öffnen. Am Ende muss aber jeder für sich selber entscheiden, wie er damit umgehen möchte und mit wem er sich darüber austauschen möchten. Da sind Fussballer wie alle anderen Menschen auch verschieden.
Welchen Idealzustand würden Sie sich wünschen im Fussball?
Hier gehts nicht nur um Fussball. Wir müssen in der Gesellschaft lernen, dass eine psychische Erkrankung auch einfach eine Erkrankung ist, so wie ein Schnupfen oder ein gebrochenes Bein. Man muss sich mit psychischen Problemen ganz sicher nicht schämen. Wir sollten das Selbstbewusstsein haben können, auch mal zu sagen, dass es einem nicht so gut geht.
Ihr gebt allen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen die Möglichkeit, sich an einem Erste-Hilfe-Kurs zur Erkennung von psychischen Krisen anzumelden. Wie viele haben das Angebot genutzt?
Das Interesse ist gross, es haben sich sehr viele Personen angemeldet. Leider mussten wir die Kurse aufgrund von Corona verschieben. Wir holen das aber nach.
Haben Sie auch vor, den Kurs zu machen?
Natürlich!
Wie steht es um Ihre mentale Fitness als CEO eines grossen Fussballclubs?
Zum einen mag ich es, wenn im Beruf etwas läuft und Action ist. Zum anderen treibe ich für den Ausgleich viel Sport – drei bis vier Mal pro Woche. Joggen, Krafttraining, Tennis oder ich spiele auch selber Fussball. Das ist mein Ausgleich, damit ich meinen Kopf freibekomme und für mich selber Energie tanken kann.
Hatten auch Sie schon Probleme?
Ich hab schon eine Scheidung hinter mir, die sicher nicht schön war. Inzwischen ist alles gut, ich bin sehr glücklich und alles ist so gekommen, wie es kommen sollte. Aber zu dieser Zeit war nicht alles toll und es hat mir auch geholfen, darüber zu sprechen.
YB übernimmt mit dieser Zusammenarbeit eine Vorreiterrolle. Warum denken Sie, dass andere Clubs dieses Thema noch zurückhaltend behandeln?
Es ist die DNA von YB, dass wir uns bei solchen Themen positionieren und unserer sozialen Verantwortung gerecht werden wollen. Wir wollen unser Wertesystem vorleben und nicht nur darüber sprechen. Ich würde es schön finden, wenn andere Clubs oder auch Unternehmen nachziehen würden.
«Wir müssen in der Gesellschaft lernen, dass eine psychische Erkrankung auch einfach eine Erkrankung ist, so wie ein Schnupfen oder ein gebrochenes Bein.»
Sagt Wanja Greuel zur Frage, welchen Idealzustand im Umgang mit psychischer Gesundheit er sich im Fussball wünscht.