Artikel aus KONTEXT #06
16.12.2021
Die perfiden Spiele der Narzissten
Narzissmus ist heute in aller Munde, «Narzisst!» wird gerne auch ganz unfachmännisch als Schimpfwort benutzt. Tatsächlich haben wir alle narzisstische Seiten – es ist nur eine Frage der Ausprägung. In seinem neuen Buch «Die perfiden Spiele der Narzissten» beleuchtet Dr. Pablo Hagemeyer das Phänomen.
Vorsicht, Narzissmus!
Der Begriff «Narzissmus» geht zurück auf die griechische Mythologie, auf den Jüngling Narziss, der sich in sein eigenes Spiegelbild im Wasser einer Quelle verliebt. Er kann sich nicht von diesem Bild abwenden und stirbt. Das Gegenstück zum Narzissmus ist der weniger bekannte Echoismus, so genannt nach der Sage einer griechischen Bergnymphe, die sich in Narziss verliebte. Während Narzisst*innen nie genug Anerkennung bekommen können, meiden Menschen mit Echoismus jede Aufmerksamkeit und nehmen sich sehr zurück. Auf den ersten Blick erscheinen stark narzisstische Menschen ungeheuer attraktiv, humorvoll, redegewandt und aufmerksam. Charme und Charisma verdecken die Selbstbezogenheit, das unstillbare Bedürfnis nach Anerkennung. Mit der Zeit jedoch bröckelt die Fassade: Sie geben im Arbeitsumfeld gern auch mal Ideen anderer als ihre eigenen aus und demütigen die Menschen um sich herum. Für andere interessieren sie sich kaum, ausser um sie für ihre Ziele zu instrumentalisieren. Typischerweise richtet sich das Verhalten von Narzisst*innen ganz danach aus, ihren fragilen Selbstwert zu schützen. Dieser kann mit Traumatischem oder Kränkungen in Kindheit und Jugend zusammenhängen, muss aber nicht. Tatsache ist: Die kleinste Kritik gefährdet sie, sie schiessen dann schon mal mit Kanonen auf Spatzen. Empathie und Konfliktfähigkeit ist nicht ihr Ding, hingegen ist Scham ein Thema – oder genauer: das Vermeiden von Scham. Um dies zu erreichen, legen sie ein rücksichtsloses, kaltblütiges Verhalten an den Tag.
Fehlende Einsicht
Narzissmus schlägt durch in Liebesbeziehungen, in der Familie, im Job – Menschen in Machtpositionen agieren sogar überdurchschnittlich oft narzisstisch. Narzisst*innen können ihr Verhalten kaum reflektieren und erkennen daher meist nicht, dass sie professionelle Hilfe brauchen würden. Kommt es jedoch in ihrem Leben zu einer grossen Krise, zum Beispiel weil sie von den Partner*innen verlassen werden, fallen sie tief – ihre Welt bricht auseinander, ihr ganzes Leiden, ihre tiefe Angst vor Selbstunsicherheit und Scham, vor Konkurrenz und Niederlage, vor ausbleibender Anerkennung tritt zutage.
Für Menschen, die in einer Beziehung mit einer narzisstischen Persönlichkeit leben, ist es nicht einfach, sich zu schützen. Wer gesteht sich schon gern ein, dass man schlecht behandelt wird und es keine Chance auf Veränderung gibt? In seinem Buch «Gestatten, ich bin ein Arschloch» hält der Psychiater, Psychotherapeut und Autor Pablo Hagemeyer fest: «Es gibt Narzisst*innen, die sich ihrer Problematik nicht bewusst sind, da ist Gefahr in Verzug und die Beziehung sollte sofort beendet werden.» Ähnlich ist es im Arbeitsumfeld, wo Narzisst*innen Führungskräften und Teamkolleg*innen das Leben schwer machen. Wer sich mental nicht damit arrangieren kann, sucht besser eine Veränderung.
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Magazin KONTEXT
Dieser Artikel erschien Mitte Dezember im KONTEXT #06, das Magazin rund um aktuelle Themen der psychischen Gesundheit. Möchten Sie das Magazin gratis erhalten? Werden Sie Mitglied im mental help club!