Jahresbericht 2020
Mit dem «Alphabet der Emotionen» wollen wir im Rahmen der Kampagne «Wie geht’s dir?» gemeinsam mit unseren Partnern dazu ermutigen, offen über positive und negative Gefühle zu reden. In diesem Jahresbericht haben wir unsere Aktivitäten spielerisch mit Emotionen beschrieben.
Liebe Leser*innen
Die Corona-Pandemie verändert unsere Gesellschaft und beeinflusst unser psychisches Wohlbefinden merklich. Die Bedeutung von psychischer Gesundheit ist in den Fokus geraten, aber leider sind bisher politische Taten ausgeblieben. Obwohl wir im Frühjahr 2021 noch nicht abschliessend beurteilen können, welches die langfristigen Folgen sein werden: Bei vulnerablen und vorbelasteten Menschen hat das Virus schon heute starke Auswirkungen auf die psychische Gesundheit, und es ist absehbar, dass es vielen Menschen schlechter gehen wird. Etwa 20% der Schweizer Bevölkerung sind in seelischer Not. Das Bestreben, diese zu lindern, bestimmte von Beginn der Krise an unser Handeln.
Da in dieser ausserordentlichen Situation rasch und unbürokratisch geholfen werden musste und es von enormer Bedeutung war, für die Anliegen und Sorgen der Menschen präsent zu sein, haben wir unsere sämtlichen Angebote ohne gesicherte Finanzierung ausgebaut. Dieser Mut zum Risiko wurde belohnt. Dank unserer Partnerorganisationen und verantwortungsbewusster Wirtschaftsunternehmen erhielten wir grosszügige Unterstützungsgelder.
Erfreulicherweise geht es aber nach einem Jahr der Pandemie auch 80% der Bevölkerung gut. Viele Menschen haben Wege und Möglichkeiten gefunden, in diesen herausfordernden Zeiten resilient zu bleiben. Auf ihnen liegt ein Teil der Hoffnung: Denn die, denen es gut geht, können denen helfen, die leiden.
Zum Beispiel mit einem Erste-Hilfe-Kurs für psychische Gesundheit (ensa). Mit diesem gemeinsam mit der Beisheim Stiftung initiierten Angebot stärken wir die Ressourcen und die Kompetenz für praktisches Handeln.
Wir sind in einer Zeit der Schwebe, schauen in die Zukunft, reden über das, was wir befürchten, aber auch über das, was wir uns erhoffen. Vielleicht wird uns bewusst, dass wir Unsicherheiten besser aushalten, wenn wir unsere Verwundbarkeit zeigen und empathisch bleiben für die Verletzlichkeit anderer. Das geht: Mit sozialer Nähe bei physischer Distanz.
Wir tun weiterhin, was möglich und notwendig ist. Auf unser Engagement dürfen Sie auch 2021 weiterhin zählen, und wir freuen uns, wenn Sie uns verbunden bleiben.
Herzliche Grüsse
Thomas Ihde und Roger Staub

Jahresbericht 2020 zum Download
Falzplakat, Format offen A2, geschlossen A4.
Jahresbericht herunterladen (PDF, 2 Seiten)
Jahresrechnung und Bericht der Revisionsstelle (PDF, 25 Seiten)

Corona und psychische Gesundheit
Die Pandemie war 2020 das wuchtige gesellschaftliche Ereignis. Sie hat uns alle bis ans Limit gefordert, viele Menschen sind ausgebrannt. Pro Mente Sana hat auf die Krise rasch und umfassend reagiert: Die kostenlose Telefonberatung wurde ausgebaut (24/7), der Treffpunkt Nordliecht blieb offen, digitale Angebote (ensa Digital/interaktive Plattform inCLOUsiv) standen innert kürzester Zeit bereit.

ensa Erste-Hilfe-Kurse
Sind Sie um jemanden im persönlichen Umfeld besorgt? ensa Erste-Hilfe-Kurse ermutigen zu handeln, wenn bei nahestehenden Personen psychische Schwierigkeiten auftreten. Seit Frühling 2020 werden die Kurse auch als Webinare angeboten. Zudem gibt es einen neuen Kurs mit Fokus Jugendliche sowie Kurse für Erste-Hilfe-Gespräche in Krisensituationen. ensa ist ein Programm von Pro Mente Sana, mitinitiiert und unterstützt durch die Beisheim Stiftung.

Biografiewoche
Pro Mente Sana startete im Sommer 2020 ein neues Recovery-Angebot. In der Ferienwoche mit Biografieworkshop wurden die Teilnehmer*innen eingeladen, sich auf lustvolle und kreative Art der eigenen Lebensgeschichte zu widmen. Neben der Arbeit an persönlichen Themen blieb auch genügend Freizeit. Echt chillig!

Mittelbeschaffung
Der Fokus der Mittelbeschaffung lag im Jahr 2020 auf unseren Massnahmen rund um Covid-19. Für unser rasches Handeln und den zeitnahen Ausbau der Unterstützungsangebote wurden wir mit einer grossen Solidaritätswelle belohnt. Neben Spenden von institutionellen Förderern konnten wir 2020 nahezu eine Verdoppelung der Privatspenden verzeichnen. Dafür sind wir sehr dankbar!

Treffpunkt Nordliecht
Der Treffpunkt schaut auf ein bewegtes, sehr erfüllendes Jahr 2020 zurück. Als der Lockdown einsetzte, erkannte Pro Mente Sana die Wichtigkeit des Nordliechts für Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen sofort. Mit den neuen Öffnungszeiten wollen wir Betroffenen, die sich einsam und isoliert fühlen, einen Begegnungsort anbieten.

Edition Unik
Die Edition Unik (edition-unik.ch) ist ein Kulturprojekt, das schreib begeisterten Menschen die Gelegenheit gibt, ihre Lebensgeschichte in Buchform festzuhalten. Pro Mente Sana verloste im Jahr 2020 unter zahl reichen Bewerbungen fünf Stipendien für Betroffene im Wert von je 550 Franken. Damit können die Gewinner*innen am Programm teilnehmen und fröhlich ihre Biografie schreiben.

Psychische Gesundheit in Unternehmen
Immer mehr Mitarbeitende fühlen sich gestresst. Damit das nicht zum Unternehmensproblem wird, lohnt es sich für Arbeitgeber*innen, rechtzeitig Gegensteuer zu geben und in die psychische Gesundheit zu investieren. Pro Mente Sana engagiert sich auch in der Arbeitswelt: mit dem Programm ensa, das 2019 mit Unterstützung der Beisheim Stiftung lanciert wurde, sowie mit der Kampagne «Wie geht’s dir?».

Beratung
Corona machte 2020 zu einem herausfordernden Jahr – viele Menschen fühlten sich hilflos. Pro Mente Sana hat rasch reagiert und die Beratungsangebote ausgebaut. Neu konnte man sich auch am Wochenende mit Fragen zu psychosozialen Themen an uns wenden. In den Gesprächen war die Verunsicherung wegen der Pandemie und der arbeitsrechtlichen Situation oft spürbar.

KONTEXT
Das Magazin zum mental help club heisst KONTEXT und erscheint zweimal jährlich. Mit Beiträgen von Betroffenen, Angehörigen und Fachpersonen (trialogisch) richtet sich die Publikation an eine interessierte Leser*innenschaft, die sich mit unterschiedlichen Aspekten von psychischer Gesundheit auseinandersetzen möchte.

Partnerschaft mit BSC YB
«Sport has the power to change the world» – Nelson Mandelas Aussage ist legendär. Vor zwei Jahren lancierten wir jubelnd eine dreijährige CSR-Partnerschaft* mit dem mehrfachen und amtierenden Schweizermeister im Fussball BSC Young Boys. Sie stand in Zeiten der Corona-Pandemie (fast) still, aber echte Partnerschaften zeichnen sich dadurch aus, dass sie auch Krisenzeiten überstehen.
* CSR = Corporate Social Responsibility

Rechtskurse
Rechtsthemen und Gesetzesartikel können einen ganz schön konfus machen. Dem wollen wir mit unseren Rechtskursen entgegenwirken. Auch 2020 haben unsere Jurist*innen Kurse zu Themen wie Arbeitsrecht und Krankentaggeld, Invalidenversicherung, Erwachsenenschutzrecht sowie Sozialhilferecht angeboten. Künftig werden die Kurse als Webinare stattfinden.

Recovery-Seminare
Das Seminar «Recovery-Wege entdecken» (RWE-Seminar) richtet sich an Menschen, die Erfahrung mit psychischer Erkrankung haben und auf dem Genesungsweg vorankommen wollen. Die Weiterbildung will Mut machen, sich mit den erlebten Krisen auseinanderzusetzen, und Menschen, die sich innerlich leer fühlen, wieder mit Hoffnung erfüllen. Die RWE-Seminare in der Deutschschweiz und im Tessin wurden bisher von über 70 Teilnehmer*innen besucht.

Narratives Erzählen
Unser Gedächtnis liebt Geschichten – Geschichten formen unsere Wahrnehmung. Das gilt auch für Institutionen, z.B. für Pro Mente Sana. Derzeit etabliert sich gerade der Begriff der «narrativen Organisation». Damit gemeint ist eine neue Form, sich zu erinnern, zu erzählen und Veränderungen zu denken. Wer müde ist von vielen Veränderungsprozessen, wird mit dieser kreativen Methode wieder munter.

Pro Mente Sana Tessin
Das vergangene Jahr und insbesondere die Situation von vulnerablen Menschen haben auch das Tessiner Team nachdenklich gestimmt. Trotz der Einschränkungen haben sie es geschafft, für Patient*innenrechte zu sensibilisieren und neue digitale Kursformate anzubieten, die bei den Klient*innen auf Anklang stossen.

Freiwillige
60 Freiwillige haben uns im vergangenen Jahr unterstützt und sich mit rund 3250 Stunden für verschiedene Projekte innerhalb der Stiftung Pro Mente Sana eingesetzt. Die grosse Solidarität für psychisch erkrankte Menschen stimmt uns optimistisch für die Zukunft!

Vertrauensperson
Eine fürsorgerische Unterbringung (FU) in eine psychiatrische Klinik kann Betroffene in einen panischen Zustand versetzen. Patient*innen im Kanton Zürich können sich während des Aufenthalts von Vertrauenspersonen begleiten lassen – im Jahr 2020 wegen Corona vermehrt virtuell (Telefon, Video-Chat). Seit 2020 beteiligt sich die Psychiatrische Universitätsklinik (PUK) als vierte Klinik am Pilotprojekt.

Mad Pride
Um für psychische Erkrankungen zu sensibilisieren und die hartnäckigen Vorurteile abzubauen, wurde vor vielen Jahren in Toronto die «Mad Pride» ins Leben gerufen. Eine Idee, die viele als quer bezeichnen, die aber seither weltweit Tausende Betroffene und Interessierte zusammenführt. Die Vorbereitungen für die erste nationale «Mad Pride» in Bern laufen auf Hochtouren.

Influencer*innen
Menschen mit psychischen Belastungen fühlen sich mit ihren Problemen in unserer rastlosen Zeit oft allein gelassen. Das Teilen von Erfahrungen ist wichtig und stärkt uns. Deshalb sind wir stolz, dass wir mit der Autorin und Bloggerin Kea von Garnier und dem SRF-Moderator Robin Rehmann («Sick of Silence») zwei originelle und herausragende Persönlichkeiten für dieses Anliegen gewinnen konnten.

Stiftungsrat
2020 wurde der Stiftungsrat von Pro Mente Sana auf sechs Mitglieder erweitert. Mit Damian Stähli und Andrea Zwicknagl konnten wir die Betroffenenvertretung in unserer Stiftung stärken. Damit sind wir noch breiter abgestützt und können sicher sein, dass unterschiedlichste Perspektiven und Kompetenzen in unsere Arbeit Eingang finden.

mental help club
In der Öffentlichkeit steigt das Verständnis für Belastungen der Psyche. Leider ist es auch eine traurige Tatsache, dass vorbelastete Menschen in einer Krise wie der Pandemie stärker leiden. Im mental help club soldarisierten sich über 2800 Menschen mit den Betroffenen.

Jahresrechnung
Pro Mente Sana schreibt 2020 schwarze Zahlen, was mit Blick auf die unsicheren Zeiten umso erfreulicher ist. Dank Spendengeldern konnten wir unsere Beratungsund Unterstützungsangebote finanzieren, die wir coronabedingt ausgebaut hatten. Wir hoffen, diese erfreuliche Entwicklung hält weiter an und die psychische Gesundheit gewinnt in der öffentlichen Wahrnehmung weiter an Relevanz.

inCLOUsiv
Verliebt zu Weihnachten – das wäre eine schöne Geschichte. Viele erleben die Vorweihnachtszeit jedoch als emotional belastend und stressig. Wir wollten in dieser Zeit unter dem Motto «Gestärkte Weihnachten» präsent sein: unter anderem mit einem Adventskalender, der auf dem «Emotionen-Alphabet» unserer Kampagne «Wie geht’s dir?» basierte und auf der interaktiven Plattform inCLOUsiv aufgelöst wurde.

Aktionstag psychische Gesundheit
Die Corona-Pandemie bringt Angst und Depression mit sich und macht viele wütend. Am 10. Dezember 2020 fand deshalb ein Aktionstag unter dem Motto «Darüber reden. Hilfe finden» statt. Die Aktion wurde vom Bundesamt für Gesundheit (BAG) initiiert, um die Öffentlichkeit auf die psychischen Folgen der Pandemie aufmerksam zu machen. Pro Mente Sana beteiligte sich aktiv an diesem Tag.

Ausblick
Ausserordentliche Zeiten, in denen wir keine Ahnung haben, wie es weitergeht, konfrontieren die Menschen mit grosser Unsicherheit. Hier ist es ausschlaggebend, dass wir nicht nur das Gute denken können, sondern auch in der Lage sind, das Bessere zu tun. Denn wir tragen mit unserem Handeln dazu bei, wie diese Menschheitskrise rückblickend beurteilt wird.

«Wie geht’s dir?»
Die Kampagne «Wie geht’s dir?» lancierte 2020 das Alphabet der Emotionen: Cool illustrierte Buchstaben wie ein plüschiges Z für «zufrieden» oder ein Vulkan in W-Form für «wütend» waren in der ganzen Deutschschweiz immer wieder auf Plakaten, im öffentlichen Verkehr und online zu sehen – und sie werden uns noch länger begegnen. Dazu gibt es neu die «Wie geht’s dir?»-App. Yay!

Charity-Song
«Trotz em C» heisst der Song von Steffi Buchli, der letztes Jahr anlässlich des Aktionstags «Psychische Gesundheit» lanciert wurde. Damit schenkte sie der Schweiz ein positives Lied während einer schwierigen Zeit. Und sie spendete alle Einnahmen aus dem Projekt an unsere Stiftung. Die Geste hat uns berührt. Wir sind mehr als zufrieden!