OBSAN BERICHT 03/ 2023
31.05.2023
Wie geht es der Bevölkerung in der Schweiz? Sucht sie sich bei psychischen Problemen Hilfe?
Der aktuelle Obsan-Bericht zeigt: Psychische Probleme sind häufig und wurden in den letzten 12 Monaten von 35% der Befragten erlebt. Die psychische Gesundheit hat sich im Vergleich zu den Referenzwerten aus dem Jahr 2017 deutlich verschlechtert – vor allem bei jungen Menschen.
Befragung von 5502 Personen
- Das Schweizerische Gesundheitsobservatorium (Obsan) erarbeitet zuverlässige, unabhängige Analysen zum Gesundheitssystem in der Schweiz für Bund und Kantone.
Mit der im Herbst 2022 durchgeführten Befragung «Psychische Gesundheit» soll der psychische Gesundheitszustand der Bevölkerung in der Schweiz in der Breite untersucht werden. Zwei Fragen gaben der Erhebung die inhaltliche Ausrichtung vor:
- Wie steht es um die psychische Gesundheit der Bevölkerung in der Schweiz?
- Suchen Personen mit psychischen Problemen Hilfe?
Im Rahmen einer repräsentativen Online-Befragung der in Privathaushalten lebenden Schweizer Wohnbevölkerung ab 15 Jahren wurden 5502 Personen auf Deutsch, Französisch oder Italienisch zu ihrer psychischen Gesundheit befragt.
Ergebnis
Mit dem Bericht gibt das Schweizerische Gesundheitsobservatorium Obsan einen Überblick über die Fakten zur psychischen Gesundheit der Schweizer Bevölkerung. Nachstehend finden Sie einen Auszug der Ergebnisse:
- Psychische Probleme sind häufig und wurden in den letzten 12 Monaten von 35% erlebt. Insgesamt gibt eine knappe Mehrheit der Bevölkerung (ca. 52%) an, keine Symptome der abgefragten psychischen Erkrankungen zu haben. Gleichzeitig hat jede achte Person (13,5%) schwerere Symptomausprägungen, d.h. dass die Symptome mit Einschränkungen im Alltag oder mit Suizidgedanken verbunden sind.
- Mehr als 40% der betroffenen Personen werden nach ihrem Suizidversuch nicht durch eine Fachperson behandelt oder betreut, nur ein Drittel holt sich wegen Suizidgedanken professionelle Hilfe. Das bedeutet, viele Betroffene werden im Gesundheitssystem nicht «sichtbar».
- Die psychische Gesundheit hat sich im Vergleich zur Situation vor der Pandemie eher verschlechtert und nicht erholt. Es gibt weniger sehr glückliche oder sehr zufriedene Personen, mittelschwere bis schwere Depressionssymptome (12%) sind häufiger als 2017 (9%) und tendenziell häufiger als 2020 und 2021 (Schuler, Tuch, & Peter, 2020; ZHAW, 2023).
- Sehr stark angestiegen sind die Einsamkeitsgefühle (14% vs. 5% im Jahr 2017), insbesondere bei den jüngeren Personen (15- bis 24-jährige Frauen: 32%, 15- bis 24-jährige Männer 22%).
- Fast 10% der Bevölkerung befand sich in den letzten 12 Monaten in einer Behandlung wegen einem psychischen Problem. Die selbstberichtete Inanspruchnahme ist damit gestiegen (2017: 6%).
- Über ein Viertel der Personen (27%) mit psychischen Problemen suchten sich keinerlei Hilfe. Der Stärkung der psychischen Gesundheit der Bevölkerung in der Schweiz und der Bereitstellung zugänglicher Hilfs- und Versorgungsangebote durch Fachkräfte kommt nach wie vor eine grosse Relevanz zu. Über psychische Probleme zu reden ist keine Selbstverständlichkeit und das soziale Umfeld häufig die erste Anlaufstelle – daher ist auch das Wissen über psychische Gesundheit auf Bevölkerungsebene von grosser Bedeutung.
Obsan Bericht lesen (PDF, 72 Seiten)
Steigende Beratungsanfragen
Auch wir stellen in unserer Beratungsarbeit fest, dass die Anfragen steigen und immer komplexer werden. 2022 ist die Anzahl der psychosozialen und juristischen Beratungen im Vergleich zum Vorjahr um 24% auf total 5387 Beratungen gestiegen.
Umso wichtiger sind Massnahmen und Ressourcen für die Unterstützung von Betroffenen und Angehörigen. Aber auch die Stärkung von Ressourcen, die Gesundheitsförderung sowie die Prävention und die Früherkennung von Belastung sind zentral – so werden nicht nur die stark geforderten Versorgungsstrukturen entlastet, sondern dadurch wird auch die Lebensqualität der Menschen in unserem Land verbessert.