Artikel aus KONTEXT #07
27.10.2022
Diagnose: Psychiatrie – ein Rollentausch
Recoveryorientierung, Personenzentrierung, Wertschätzung – starke Worte, die man mittlerweile auf der Website jeder psychiatrischen Klinik findet. Doch wie sieht es hinter den Mauern der Institution «Psychiatrie» wirklich aus? Nadia Pernollet, Fachmitarbeiterin psychosoziale Angebote bei Pro Mente Sana, geht einem chronisch kränkelnden System auf die Spur. Lesen Sie ihre Diagnose über die Psychiatrie in der aktuellen Ausgabe unseres Magazins KONTEXT #07.
- «Ein Mensch fühlt sich oft wie verwandelt, sobald man ihn menschlich behandelt.» — Eugen Roth
Heute diagnostiziere ich. Bin ich dazu befähigt? Ich denke schon. Diagnostik beruht auf einer ausführlichen Anamnese, Beobachtungen, der Evaluation von Berichtetem sowie dem Miteinbezug fremdanamnestischer Informationen. Nach jahrelanger «Feldarbeit» als Psychiatriepflegefachfrau, etlichen Gesprächen mit anderen involvierten Berufsgruppen, Patient*innen und ehemaligen Patient*innen, dem kritischen Studium von Forschungsarbeiten und Literatur sowie gründlicher Reflektion empfinde ich mich als ausreichend kompetent, meine Diagnosen laut auszusprechen. Meine Patientin: die Psychiatrie. Im Besonderen: die Akutpsychiatrie.
Diagnostik hat bekannter- und bedauerlicherweise die Eigenschaft, defizitär orientiert nach Umständen zu suchen, die nicht gut sind oder nicht bzw. nur mangelhaft funktionieren. Es ist mir ein grosses Anliegen, an dieser Stelle zu erwähnen, dass ich mit diesem Artikel nicht beabsichtige, die tägliche Arbeit, die in den psychiatrischen Kliniken unter teilweise schwierigen Bedingungen erbracht wird, herabzuwürdigen, und auch nicht – wie es so oft in der psychiatrischen Praxis geschieht – die «Patientin» auf diese Diagnosen zu reduzieren. Vieles läuft gut, entwickelt sich, wenn auch langsam, in die richtige Richtung. Dennoch bestehen nach wie vor grundlegende Mängel, die es zu beheben gilt. Auch würde es den Rahmen sprengen, wenn ich sämtliche systemrelevanten Komponenten miteinbeziehen würde, obwohl manche sicherlich als nicht unwesentliche Mitursache meiner Diagnosen zu betrachten sind.
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Magazin KONTEXT
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