«Heitere Fahne» - ein Film für alle
07.09.2021
Das Unmögliche möglich machen
Die «Heitere Fahne» ist ein inklusives Kultur- und Kunsthaus mit Gastrobetrieb in Wabern bei Bern. Vor 6 Jahren in einer alten Brauereiwirtschaft gegründet, strahlt es mittlerweile als vorbildliches Projekt über die Kantonsgrenzen hinaus. Ein sehenswerter Dokumentarfilm erzählt nun vom Willen und Mut eines Kollektivs, gesellschaftliches Neuland zu betreten. Eine emotionale Achterbahnfahrt.
Am Anfang stand die Faszination eines leeren Theaterraumes, der mit neuen Ideen belebt werden sollte und der Traum, das Unmögliche möglich zu machen. So erzählt es Rahel Bucher, eine der Initiantinnen der «Heitere Fahne» gleich zu Beginn des Films. Die Vision eine alternative, inklusive Form des Zusammenlebens zu schaffen ist gelungen. Menschen mit Behinderung, Migrationshintergrund, psychischen Schwierigkeiten oder IV-Bezüger*innen finden einen Ort, der von der Kreativität und der Leidenschaft derer lebt, die sich in diesem Projekt als Idealist*innen und freiwillige Helfer*innen im Team gemeinsam engagieren. Wer schon mal Gast in der «Heitere Fahne» war, weiss aus eigener Erfahrung, dass diese anspruchsvolle Idee im Alltag funktioniert.
Eine abenteuerliche filmische Reise hinter die Kulissen
Im Berner Kulturleben hat sich dieser einzigartige Kulturort längst etabliert und viele Freund*innen gefunden. Im Film schwärmt der Berner Stadtpräsident Alec von Graffenried: «Die Heitere Fahne ist ein Leuchtturm der Inklusion, der in die ganze Schweiz ausstrahlt.»
Welchen existenziellen Preis die euphorischen Pioniere, die mit Beharrlichkeit untereinander für ihre Überzeugungen streiten bezahlen, zeigt der Film von Christian Knorr auf eindrückliche Weise. Die Kamera folgt und beobachtet den Reorganisationsprozess des Kernteams. Die Selbstausbeutung, was es bedeutet die Komfortzone zu verlassen und Grenzen zu überschreiten, wird hautnah spürbar. Verletzungen, Konflikte, Rückschläge und spürbare Resignation einiger Protagonist*innen gehören ebenso dazu, wie die unerschütterliche Überzeugung, der Kraft der eigenen Träume und der Selbstbestimmung zu vertrauen.
Transformation zu mehr Mitgefühl vorantreiben
Beeindruckend ist, wie die Protagonist*innen uns auch an ihren sehr emotionalen und persönlichen Momenten teilhaben lassen und es damit schaffen, die Betrachter*innen zu involvieren. Wie die hohe Authentizität gelingen konnte, erklärt sich der Regisseur Christian Knorr so: «Wenn ich eine Person stundenlang mit der Kamera begleite, zeige ich mein ernst gemeintes Interesse an ihrem Lebensentwurf. Dass ich daran glaube, dass ihre Geschichte, die ich in Momentaufnahmen festhalten darf, wiederum andere Menschen interessiert, inspiriert oder motiviert.»
Der Film hat nebst der kritischen Perspektive auch den Anspruch, den Zuschauer*innen den Blick ins Unbekannte zu weiten. Er ist mutig und inspirierend, weil er herausfordert, festgefahrene Denkweisen zu hinterfragen. Mit der Frage «Wie möchtest du gelebt haben?» wirkt er nach und wird hoffentlich fällige Diskussionen auslösen. Unsere Gesellschaft braucht dringend Pioniere und Visionäre, jedes lebendige Beispiel ist dabei wertvoll.