Invalidenversicherung
Wer aus gesundheitlichen Gründen längere Zeit arbeitsunfähig ist, hat Anspruch auf Hilfe durch die IV-Stellen. Das gilt auch bei psychischen Erkrankungen.
Zuständigkeit der IV
Die Invalidenversicherung ist dann zuständig, wenn man wegen einem gesundheitlichen Problem voraussichtlich längerfristig nicht (mehr) arbeiten kann oder nach der Schule noch gar nie eine Arbeit gefunden hat. Ansonsten ist die Arbeitslosenversicherung zuständig. Die Arbeitslosenversicherung hat zudem eine Vorleistungspflicht, wenn man nicht mehr voll, aber mindestens 20% arbeitsfähig ist.
Massnahmen der IV
Die IV ist mehr als «nur» eine Rentenversicherung. Sie versucht früh zu helfen, so dass eine Rente gar nicht nötig wird (Integration vor Rente). Bei psychisch erkrankten Menschen funktioniert dies noch nicht gut. Mehr als die Hälfte aller Neurentenwerden primär wegen psychischen Erkrankungen zugesprochen. Deshalb wurden in der letzten Revision 2022 die Instrumente zur Früherkennung und Vermeidung von drohender Invalidität verstärkt.
Die wichtigsten Instrumente sind:
Weitere Informationen zu den Eingliederungsmassnahmen der IV finden Sie hier.
Rentenanspruch
Voraussetzung für eine IV-Rente ist eine Arbeitsunfähigkeit von mindestens 40% während eines Jahres und ein Invaliditätsgrad von 40%, welche auch durch Integrationsmassnahmen nicht vermindert werden kann.
Abstufung nach dem neuen-Rentensystem (2022)
- Ab 40% Invaliditätsgrad (IV-Grad): Viertelsrente (25%)
- Zwischen 41 und 49% IV-Grad: Pro IV-Grad Erhöhung der Rente um 2.5%
- Zwischen 50% und 69% IV-Grad: Die Rente entspricht dem Invaliditätsgrad
- Ab 70% IV-Grad: volle Rente
Altes Rentesystem (bis Ende 2021)
- ab 40% Arbeitsunfähigkeit: Viertelsrente
- 50% Arbeitsunfähigkeit: halbe Rente
- 60% Arbeitsunfähigkeit: Dreiviertelrente
- 70% Arbeitsunfähigkeit: volle Rente
Der Betrag in Franken hängt davon ab, ob man jedes Jahr die Beitragspflicht erfüllt hat sowie vom Durchschnittseinkommen ab. Nebst Erwerbsarbeit können auch Jahre der Elternschaft als Beitragsjahre anerkannt werden. Die Frankenbeträge finden sich bei voller Erfüllung der Beitragspflicht auf der Rentenskala 44. Dort kann man die Höhe der monatlichen Rente ablesen, welche abhängig ist vom durchschnittlichen Verdienst. Wenn Beitragslücken vorliegen, werden andere Skalen angewendet und die Beträge sind tiefer. Die Skalen finden Sie hier
Begutachtung vor dem Entscheid über die Rente
Psychische Krankheiten sind selten sichtbar oder mit Bildern zu beweisen. Anders als beispielsweise ein Beinbruch. Deshalb holt die IV-Stelle fast immer ein psychiatrisches Gutachten ein, bevor sie über die Ausrichtung einer Rente entscheidet.
Bei einem psychiatrischen Gutachten besteht als Beweismittel oft «nur» das Gespräch. Es liegen keine Bilder und keine oder wenige Laborwerte vor. Deshalb ist es sehr wichtig, dass die IV-Stelle, die betroffene Person, ihre Rechtsvertretung und im Beschwerdefall das Gericht überprüfen können, was genau und wie etwas gesagt wurde. Diese Überprüfung ist seit 2022 möglich, da die Gutachtengespräche aufgezeichnet werden müssen. Ausser die versicherte Person verzichtet darauf.
Verbesserung der Unabhängigkeit und Qualität
Die Unabhängigkeit und Qualität der Gutachten ist oft nicht gegeben. Es gibt viele Gutachter*innen, welche nicht sorgfältig arbeiten und wirtschaftlich abhängig von den Aufträgen der IV-Stellen sind. Mit der anfangs 2022 in Kraft getretene Reform konnten im Gutachterwesen wichtige Verbesserungen erzielt werden: Falls nicht nur eines, sondern mindestens zwei Gutachten eingeholt werden, müssen die Gutachter*in nach dem Zufallsprinzip-bestimmt werden. Dies soll verhindern, dass ein Gutachten von einer IV-Stelle durch die Wahl eines bestimmten Gutachters bzw. einer Gutachterin beeinflusst werden kann.
Pro Mente Sana setzt sich mit dem Dachverband Inclusion Handicap dafür ein, dass die Vergabe eines Gutachtens künftig auch in jenen Fällen nach dem Zufallsprinzip geschieht, wo «nur» ein einziges Gutachten eingeholt wird.
Seit 2022 gibt es die Eidgenössische Kommission für Qualitätssicherung in der medizinischen Begutachtung (EKQMB). Diese kontrolliert die Gutachterstellen. Das Gesetz sieht neu Mindestanforderungen an die Gutachter*innen vor, wie beispielsweise eine fünfjährige klinische Praxiserfahrung.
Meldestelle zu IV-Gutachten
Mit der von unserem Dachverband Inclusion Handicap seit 2020 betriebenen Meldestelle sollen Mängel bei IV-Gutachten dokumentiert werden. Damit soll der Politik und der Verwaltung aufgezeigt werden, dass trotz gewisser Fortschritte weitere Verbesserungen nötig sind. Die Verbesserungen in der Reform sind auch dieser Meldestelle zu verdanken. Weitere Informationen unseres Dachverbandes über die Meldestelle finden Sie hier
Auch das Bundesamt für Sozialversicherungen bietet Informationen zum Thema Gutachten: Medizinische Gutachten in der IV