Erwachsenenschutzrecht

Das Erwachsenenschutzrecht verankert Instrumente der Selbstbestimmung auf gesetzlicher Ebene. Das Wohl und der Schutz der betroffenen Person sollen im Vordergrund stehen. Es gilt: So wenig Eingriffe in die Selbstbestimmung wie möglich, nur so viel wie nötig.

Gesetzliches Vertretungsrecht der Angehörigen

Eine handlungsfähige Person kann selbständig Rechte ausüben und Pflichten übernehmen. Man kann beispielsweise Verträge abschliessen, über medizinische Behandlungen entscheiden, Vollmachten erteilen oder ein Testament verfassen. Ein Element der Handlungsfähigkeit ist die Urteilsfähigkeit. Wenn eine Person fähig ist, ihre Handlungen in bestimmten Situationen richtig zu beurteilen, ist sie urteilsfähig. Eine schwerere psychische Störung kann zu einer vorübergehenden Urteilsunfähigkeit führen. In diesem Fall braucht es eine Ersatzperson.

Das gesetzliche Vertretungsrecht kann durch eine selbstbestimmte Lösung ersetzt werden.

Im Gesetz ist vorgesehen, dass Ehegatt*innen bzw. eingetragene Partner*innen von Urteilsunfähigen berechtigt sind, für diese im Rahmen des üblichen Lebensbedarfes alle Rechtshandlungen vorzunehmen und die Einkommens- und Vermögensverwaltung zu besorgen (Art. 374 ZGB).

In den nachfolgenden zwei Belangen können auch weitere Familienmitglieder für Urteilsunfähige Entscheidungen treffen. Dadurch erübrigt sich die Errichtung einer Beistandschaft. Nahe Angehörige können die Zustimmung zu einer medizinischen Behandlung erteilen bzw. verweigern (Art. 378 ZGB) oder mit einer Wohn- bzw. Pflegeeinrichtung einen Betreuungsvertrag abschliessen (Art. 382 ZGB)

Falls Sie diese familiäre Unterstützung nicht wollen, empfiehlt es sich unbedingt, das gesetzliche Vertretungsrecht mittels Vorsorgeauftrag resp. Patientenverfügung durch eine selbstbestimmte Lösung zu ersetzen.

Vorsorgeauftrag und Patientenverfügung

Mit einem Vorsorgeauftrag (PDF, 2 Seiten) (Art. 360 ff. ZGB) können Sie jemanden beauftragen, der sich um Sie oder Ihr Vermögen kümmert oder Sie rechtlich vertritt, wenn Sie urteilsunfähig werden. Diesen Auftrag müssen Sie erteilen, solange Sie handlungsfähig sind.

Sie können selbst entscheiden, welchen medizinischen Massnahmen Sie im Falle einer Urteilsunfähigkeit zustimmen oder nicht. Halten Sie Ihre Wünsche mittels einer Patientenverfügung (Art. 370 ff. ZGB) fest. Sie können darin auch eine entscheidungsbefugte Person bestimmen.

Damit Sie Ihre Wünsche auch bezüglich der Behandlung einer psychischen Erkrankung festhalten können, hat Pro Mente Sana eine psychiatrische Patientenverfügung (PPV) entwickelt.

Ratgeber für Betroffene

Der Ratgeber vermittelt Ihnen einen Überblick über das seit 1. Januar 2013 geltende Kindes- und Erwachsenenschutzrecht und befähigt Sie, sich bei Bedarf weiter zu informieren und für Ihre Rechte einzusetzen.

Ratgeber für Fachpersonen

Der Ratgeber gibt einen kurzen Überblick über das Erwachsenenschutzrecht und ermöglicht, rasch Antworten auf praktische Fragen zu erhalten. Der Leitfaden richtet sich an Ärztinnen und Ärzte, Pflegepersonal und Sozialarbeitende, insbesondere der psychiatrischen Kliniken.

Behördliche Massnahmen

Die Erwachsenenschutzbehörde wird aktiv, wenn das Wohl und der Schutz von hilfsbedürftigen Menschen gefährdet ist. Eine Person hat beispielsweise den Überblick über ihre Angelegenheiten verloren, kann Alltägliches nicht mehr selbständig besorgen oder muss vor Ausnützung oder selbstschädigendem Handeln geschützt werden. Die Behörde hat sorgfältig abzuklären, ob die Unterstützung der betroffenen Person durch die Familie, andere nahestehende oder besonders beauftragte Personen, private oder öffentliche Dienste ausreicht. Erst wenn es keine solche Hilfe gibt, werden behördliche Massnahmen angeordnet.

Spezialfall Urteilsunfähigkeit: Bei urteilsunfähigen hilfsbedürftigen Personen ist zu prüfen, ob ein Vorsorgeauftrag vorliegt, welcher eine behördliche Massnahme ausschliesst. Ist dies der Fall, prüft die Erwachsenenschutzbehörde, ob die im Vorsorgeauftrag genannte Person als gesetzliche Vertretung eingesetzt werden kann.

Beistandschaft

Die weitaus häufigste behördliche Massnahme ist die Errichtung einer Beistandschaft. Es gibt vier Arten von Beistandschaften:

  • Begleitbeistandschaft
  • Vertretungsbeistandschaft mit oder ohne Vermögensverwaltung
  • Mitwirkungsbeistandschaft
  • umfassende Beistandschaft

Diese Beistandsarten unterscheiden sich im Ausmass, in welchem die Handlungsfähigkeit eingeschränkt wird. Bei der Begleitbeistandschaft wird die Handlungsfähigkeit in keiner Weise eingeschränkt. Bei der umfassenden Beistandschaft entfällt die Handlungsfähigkeit komplett. Die umfassende Beistandschaft entspricht der früheren Vormundschaft. Sie greift am stärksten in die Rechte der betroffenen Person ein und kommt als einschneidendste Massnahme nur selten zur Anwendung.

Selbstbestimmung in der Beistandschaft

Es gilt der zentrale gesetzliche Grundsatz, die Selbstbestimmung der betroffenen Person so weit wie möglich zu erhalten und zu fördern. Zudem soll ihr Wille, das Leben entsprechend ihren Fähigkeiten nach eigenen Wünschen und Vorstellungen zu gestalten, beachtet werden (Art. 406 Abs. 1 ZGB). Die Erwachsenenschutzbehörde muss also eine Beistandschaft nach Mass gestalten. Die Beistandsart muss dem Grad der Hilfsbedürftigkeit angepasst sein. Die Aufgaben der Beistandsperson müssen individuell und konkret umschrieben werden.

Wer kann eine Beistandschaft führen?

Die Führung der Beistandschaft kann einer Berufsbeiständin bzw. einem Berufsbeistand oder einer geeigneten Privatperson übertragen werden. Die betroffene Person hat das Recht, einen Beistand vorzuschlagen. Sie kann eine Person, der sie vertraut, aus ihrem persönlichen Umfeld suchen. Diese darf von der Erwachsenenschutzbehörde nur abgelehnt werden, wenn sie für die Aufgabe ungeeignet erscheint (Art. 401 Abs. 1 ZGB).

Gegen Handlungen und Unterlassungen von Beiständinnen bzw. Beiständen kann man sich bei der Erwachsenenschutzbehörde (KESB) beschweren.