Seit der Einführung des Erwachsenenschutzrechts im Jahr 2013 können Personen, die gegen ihren Willen in eine Einrichtung eingewiesen werden, eine Vertrauensperson ernennen. Eine Vertrauensperson ist idealerweise ein/e Freund*in oder eine/e Familienangehörige*r, zu welcher bereits ein Vertrauensverhältnis besteht. Sie wird von der betroffenen Person ernannt und handelt in deren Auftrag.

Die gesetzliche Grundlage findet sich im Zivilgesetzbuch (ZGB) in Art. 432: «Jede Person, die in einer Einrichtung untergebracht wird, kann eine Person ihres Vertrauens beiziehen, die sie während des Aufenthalts und bis zum Abschluss aller damit zusammenhängenden Verfahren unterstützt.» Die Ernennung kann gegenüber der Einrichtung (z.B. Klink, Pflegeheim etc.) mündlich bekanntgegeben werden:  «Frau/Herr XY ist meine Vertrauensperson, bitte tragen sie es in meine Patientenakte ein». Wir empfehlen die schriftliche Ernennung, sobald eine Legitimation gegen aussen nötig ist (z. B. gegenüber der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörden (KESB) oder dem Gericht). 

Hier können Sie eine Vorlage zur schriftlichen Ernennung herunterladen und hier finden Sie den Auszug aus dem ZGB zur fürsorgerischen Unterbringung.

Die Einrichtung darf die Vertrauensperson grundsätzlich nicht ablehnen, und sie darf den direkten Kontakt zur Patient*in sowie ein erweitertes Besuchsrecht nicht verbieten.

Die von einer FU betroffene Person kann durch die akute psychische Störung in ihren Fähigkeiten beeinträchtigt sein, für sich einzustehen und eigene Rechte durchzusetzen. Der Gesetzgeber zielt mit der Vertrauensperson darauf ab, Betroffene im Zwangskontext zu stärken. Patient*innen sollen bei der Wahrnehmung ihrer Rechte gegenüber den Behörden und der Einrichtung unterstützt, und der Kontakt zur Aussenwelt soll durch das Besuchsrecht der Vertrauensperson sichergestellt werden. 

Im Gesetzestext sind die Aufgaben nicht klar definiert. Generell geht es um die bestmögliche Interessenvertretung einer von Zwangsmassnahmen betroffenen Person. Die Vertrauensperson unterstützt Betroffene während der Dauer der fürsorgerischen Unterbringung, sie hat eigene Mitwirkungsrechte und auch eigene Beschwerderechte.

Hier finden Sie weitere Details.

Unsere Erfahrung zeigt, dass die Kliniken die Rechte der Vertrauensperson nicht genau kennen und darum auch nicht darauf aufmerksam machen. Es ist nötig, dass sich eine ernannte Vertrauensperson selbst über die Rechte kundig macht. 
Insbesondere für juristische Laien ist das nicht so einfach. Wir haben einen Auszug der Bestimmungen aus den ZGB zusammengestellt und auch einen Überblick über die wesentlichen Rechte/Rechtsmittel.

Hier finden Sie die Rechte bei fürsorgerischer Unterbringung im Überblick.

Eine fürsorgerische Unterbringung wird von der KESB oder von Ärzt*innen ausgesprochen. In den meisten Kantonen wurde die Einweisungskompetenz den Ärzt*innen übertragen.

Grundlage der Einweisung bildet eine formelle Verfügung. In aller Regel wird sie mittels vorgedrucktem Formular ausgestellt. Den Betroffenen muss die Verfügung ausgehändigt werden.

Die Voraussetzungen für die Anordnung der FU sind in Art. 426 Abs. 1 ZGB umschrieben. Die betroffene Person hat entweder eine psychische Erkrankung oder eine geistige Behinderung oder es besteht eine schwere Verwahrlosung. Zusätzlich muss eine akute Selbstgefährdung vorliegen, und die nötige Behandlung oder Betreuung kann nicht ambulant, sondern ausschliesslich stationär erfolgen. Die Einrichtung, Klinik oder Pflegeheim o.ä., muss geeignet sein für die Behandlung oder Betreuung. Die Klinik erhält durch die Einweisung einen Behandlungs- und /oder einen Betreuungsauftrag. Die Ärzt*innen in der Klinik haben die Pflicht, die Voraussetzungen der FU immer wieder neu zu prüfen, insbesondere die akute Selbstgefährdung. Ist keine akute Selbstgefährdung (mehr) gegeben, ordnen die Ärzt*innen die Entlassung an resp. bei behördlicher FU stellt die Einrichtung bei der KESB Antrag auf Entlassung. Die KESB wird in jeden Fall involviert, wenn eine FU länger als sechs Wochen dauert.

Neben der ordentlichen Entlassung kann die betroffene Person mit Beschwerde oder einem Entlassungsgesuch aktiv werden, um eine Entlassung aus der Klinik zu erwirken.

Innerhalb von 10 Tagen kann gegen die FU-Verfügung eine Beschwerde beim Gericht eingereicht werden.

In den meisten Kantonen ist das Gerichtsverfahren nicht kostenlos. Dringt man mit der Beschwerde durch, muss man nichts bezahlen. Weist das Gericht die Beschwerde ab, werden die Gerichtskosten (inkl. Gutachterkosten) dem Beschwerdeführer/der Beschwerdeführerin  auferlegt. Es besteht folglich ein erhebliches finanzielles Risiko. Gemindert wird dieses Risiko, wenn bei geringen finanziellen Mitteln ein Anspruch auf unentgeltliche Prozessführung besteht. Wir raten, sich im jeweiligen Kanton vor Einreichung einer Beschwerde kundig zu machen, ob und wenn ja, mit welchen Kosten bei Unterliegen zu rechnen ist. Anwaltliche Vertretung im Gerichtsverfahren ist in jedem Fall zu empfehlen. Leider ist es schwierig, kurzfristig eine Anwältin/einen Anwalt zu finden (insbesondere, wenn kein Vorschuss geleistet werden kann).

Eine Beschwerde kann die betroffene Person oder die Vertrauensperson in eigenem Namen einreichen. Die formellen Hürden sind gering. Die Beschwerde muss keine Begründung enthalten. Das Gericht hört die betroffene Person mündlich an, meistens in der Klinik. Für die Entscheidfindung muss bei psychischen Störungen ein externes psychiatrisches Gutachten erstellt werden. Das Verfahren muss schnell gehen. In Art. 450e Abs. 5 ZGB wird verlangt, dass das Gericht in der Regel innert 5 Arbeitstagen entscheiden muss.

Hierzu finden Sie hier eine Musterbeschwerde.

Alternativ zur Beschwerde, kann die betroffene Person oder die Vertrauenspersonen jederzeit ein Gesuch an die Klinikleitung richten, sie sei sofort zu entlassen. Über ein solches Gesuch muss ohne Verzug entschieden werden (maximal drei Tage).

Dieses Verfahren ist kostenlos. Gegen die Ablehnung des Entlassungsgesuches stehen Rechtmittel zur Verfügung analog der Bestimmungen bei der Beschwerde (siehe Abschnitt Beschwerde). Weitere Informationen finden Sie hier.

Betroffene können mit einer Vertrauensperson gegenüber der Einrichtung gestärkt auftreten. Angehörige haben als explizit ernannte Vertrauenspersonen etwas mehr Rechte als ohne diese Funktion. Insbesondere bei der Erstellung eines Behandlungsplanes sollte eine Vertrauensperson sich gegenüber der Ärzteschaft einbringen. Denn der Zweck einer fürsorgerischen Unterbringung ist immer die Behandlung und/oder die Betreuung.

Die Vertrauensperson kann und soll ein Gespräch verlangen über die geplante Behandlung. 

Die behandelnden Ärzt*innen haben die Betroffenen und deren Vertrauensperson gemäss Art. 433 Abs. 2 ZGB zu informieren über: 

• Gründe der Behandlung
• Zweck
• Art
• Modalitäten
• Risiken und Nebenwirkungen
• Folgen einer Nichtbehandlung
• alternative Behandlungsmöglichkeiten

Im Gespräch über eine mögliche Behandlung kann die betroffene Person ihre Werthaltung vermitteln und Wünsche zur Behandlung äussern. Die Vertrauensperson kann sie dabei unterstützen, «Übersetzungsarbeit» leisten und gezielt Nachfragen. Auch in einer FU gilt grundsätzlich das Selbstbestimmungsrecht, heisst: keine Behandlung ohne Einwilligung der betroffenen Person. Der ärztliche Behandlungsplan wird der betroffenen Person zur Zustimmung unterbreitet. Es besteht das Recht, diesen schriftlich ausgehändigt zu bekommen. So kann jederzeit überprüft werden, ob die vereinbarte Behandlung, insbesondere die allfällige Medikamentenabgabe und Dosierung eingehalten wird. Wird die Zustimmung von der betroffenen Person nicht erteilt, muss die von den Ärzt*innen vorgeschlagene Behandlung unterbleiben (unter Vorbehalt einer Zwangsbehandlung). Die Vertrauensperson kann nicht anstelle der betroffenen Person zustimmen.

Erachtet die Vertrauensperson die zwangsfrei geplante Behandlung als nicht angemessen, kann sie gegen den Behandlungsplan allerdings keine Beschwerde erheben. Rechtsmittel sind hier nicht vorgesehen. Um sich ein Bild über die Patient*innenakte zu verschaffen, kann der Vertrauensperson Vollmacht zur Akteneinsicht erteilt werden. Dies kann hier heruntergeladen werden.

Jede Person kann in einer Patientenverfügung festlegen, welchen Behandlungen sie während einer Urteilsunfähigkeit zustimmt und welche sie ablehnt. Diese Anordnungen sind grundsätzlich zu befolgen. Indessen zeigt sich ein massgebender Unterschied zwischen somatischer und psychiatrischer Patientenverfügung: In der somatischen Medizin wird einer Patientenverfügung auch bei einer Selbstgefährdung (bis hin zum Tod) entsprochen, in der Psychiatrie hingegen hat der Gesetzgeber vorgesehen, dass bei Vorliegen einer psychischen Erkrankung und damit zusammenhängender ernsthafter Selbstgefährdung das Recht auf Selbstbestimmung aufgehoben werden darf. Die Chefärztin/der Chefarzt einer psychiatrischen Klinik kann sich also über eine PV hinwegsetzen, wenn die in der PV enthaltenen Anordnungen die Gefahr nicht abwenden können. In diesem Fall gelten die Bestimmungen über die Behandlung ohne Zustimmung (Art. 434 ZGB) bzw. Massnahmen zur Einschränkung der Bewegungsfreiheit (Art. 438 ZGB).

Gerade weil Zwangsmassnahmen einen massiven Eingriff in die persönliche Freiheit der betroffenen Person darstellen, gilt es, diese so weit als möglich zu vermeiden. Die PV kann einiges dazu beitragen, indem z.B. beim Thema «Umgang mit ernsthaften Gefährdungssituationen» festgehalten wird, was getan werden kann, um die Situation zu entschärfen. Die Behandelnden in der Klinik müssen den getroffenen Anordnungen in einer Patientenverfügung Beachtung schenken. Wenn sie aus medizinischen Gesichtspunkten nicht befolgt werden, muss eine Begründung  dokumentiert werden. Wird einer Patientenverfügung in der Klinik ohne ausreichende Begründung nicht entsprochen, kann die KESB auf Anzeige hin behördlich intervenieren.

Pro Mente Sana empfiehlt die Errichtung einer Patientenverfügung, insbesondere für Personen, welche ein grösseres Risiko haben, unfreiwillig in eine Klinik gebracht zu werden. Dieser Personengruppe dient die spezifische psychiatrische Patientenverfügung (PPV). Hier finden Sie weitere Informationen.

Eine FU bedeutet nicht automatisch, dass Ärzt*innen behandeln dürfen, wie sie es für richtig befinden. Im Grundsatz gilt auch in der Klinik: keine Behandlung ohne Einwilligung der betroffenen Person. Zwangsbehandlungen sind möglich unter folgenden Voraussetzungen (Art. 434 ZGB):

• ohne Behandlung droht eine ernsthafte Schädigung der Gesundheit oder des Lebens oder der körperlichen Integrität Dritter
• die betroffene Person ist bezüglich Behandlungsbedürftigkeit urteilsunfähig
• keine mildere Massnahme steht zur Verfügung

Zwangsmassnahmen beinhaltet entweder Zwangsmedikation (oft Spritzen), und/oder bewegungseinschränkende Massnahmen (Art. 438 ZGB). Diese kommen in verschiedenen Formen vor:

• Isolationen (zwangsweise Einzelunterbringung in einem abgeschlossenen Raum),
• manuell (Festhalten), mechanisch (z.B. Fixierungen, Bettgurten, Zewi-Decken, Zwangsjacken, Sitzhosen oder geschlossene Betten),
• elektronische Massnahmen (z.B. elektronische Armbänder).

Aufgrund des schweren Eingriffs in die persönliche Freiheit dürfen sie nur von der Chefärztin/dem Chefarzt der Abteilung angeordnet und müssen bei der Anwendung protokolliert werden. Der Entscheid muss schriftlich erfolgen mit Rechtmittelbelehrung. Die betroffene Person und auch deren Vertrauensperson können dagegen Beschwerde erheben beim Gericht. Solange über eine Beschwerde nicht entschieden ist, darf grundsätzlich nicht behandelt werden; es sei denn, die aufschiebende Wirkung wurde entzogen.

In Notfallsituationen dürfen – wie auch im somatischen Bereich – die notwendigen medizinischen Massnahmen sofort ergriffen werden.

In der schweizerischen Gesetzgebung ist der Rechtsschutz bei den diversen Zwangsmassnahmen gut ausgebaut. In keinem anderen ordentlichen Zivilverfahren steht dem Gericht eine so kurze Bearbeitungszeit zur Verfügung wie bei Beschwerden gegen die FU: Bei Eingang der Beschwerde hat das Gericht lediglich fünf Arbeitstage Zeit bis zum Entscheid. Kritik ist anzubringen wegen der Schwierigkeit, kurzfristig eine Anwältin/ein Anwalt für die Rechtsvertretung zu finden, sowie wegen dem Kostenrisiko. In den meisten Kantonen ist das Verfahren kostenpflichtig. Die Vertrauensperson hat explizit umfassende Beschwerderechte. Sie kann in eigenem Namen und mit eigenem Kostenrisiko Beschwerde erheben gegen:

• die Zwangsunterbringung
• Zwangsbehandlungen
• jede bewegungseinschränkende Massnahme

Die Praxis zeigt, dass «Rechte haben» und «Rechte wahrnehmen» zwei unterschiedliche Paar Schuhe sind. Vertrauenspersonen sind in der Regel juristische Laien und ein Gerichtsverfahren ist mit prozessualen Risiken verbunden. Eine abgewiesene Beschwerde kann hohe Kosten nach sich ziehen. Wir empfehlen in jedem Fall eine vorgängige Beratung und gegebenenfalls den Beizug einer professionellen Rechtsvertretung. Hier finden Sie die Nummer unserer kostenlosen Telefonberatung: 0848 800 858 (Normaltarif)

Aktuell fehlt es an Rechtsanwält*innen, die zeitlich dringliche FU-Fälle übernehmen können. Dieses Problem verschärft sich bei mittellosen Personen. Nur wenige Rechtsanwält*innen sind bereit, die Arbeit zum relativ bescheidenen Honorar zu leisten, welches die Gerichte im Rahmen der unentgeltlichen Rechtsvertretung zusprechen.

Leider fehlt es schweizweit an einer Pikettanwaltschaft. Wir müssen auf die jeweilige kantonale Website des Anwaltsverbandes verweisen. In aller Regel gelangt man über die Suchfunktion «Erwachsenenschutz» an Adressen.

In einzelnen Regionen gibt es Anlaufstellen, die Vertrauenspersonen bei FU unterstützen und/oder Vertrauenspersonen sogar vermitteln können für Menschen, welche selbst keine Angehörigen oder Nahestehende in diese Position einsetzen können oder wollen.

Kanton Zürich

Telefon: 076 281 99 93

Flyer VP-Pool für Betroffene

Kanton Tessin

Telefon: 091 646 83 49

contatto@promentesana.ch

Website

Kanton Genf

Telefon: 022 733 40 00 (lundi au vendredi de 9h à 12h)

Conseillers accompagnants 

Kennen Sie weitere Interessensgruppen, die in Ihrer Region Vertrauenspersonen bei FU unterstützen und/oder Vertrauenspersonen sogar vermitteln können? Melden sie sich bei Martina Gasner: m.gasner@promentesana.ch.

• Portrait einer Vertrauensperson im Kanton Zürich
  • Einblick in den Alltag und die Motivation einer Vertrauensperson, die Menschen mit psychischer Beeinträchtigung begleitet und unterstützt.
• Interview im Beobachter mit einer Juristin von Pro Mente Sana
  • Eine Juristin von Pro Mente Sana erklärt, wie Vertrauenspersonen rechtlich eingebunden sind und welche Unterstützung sie leisten können.
• Beitrag von den Akademien der Wissenschaften Schweiz
  • Fachlicher Hintergrund und wissenschaftliche Einordnung zur Rolle und Bedeutung von Vertrauenspersonen im Gesundheitssystem.
• Beitrag von dem Schweizerischen Gesundheitsobservatorium
  • Statistische Daten und Analysen zur psychosozialen Versorgung in der Schweiz.